experimente
Der achtsame Umgang mit Dingen wie mit Menschen entspringt dem achtsamen Umgang mit sich selber.
Das Kandinsky-Experiment
Vielleicht lassen Sie sich in nächster Zeit von Ihrem Partner wieder einmal zu einem Museumsbesuch verführen. Das Experiment ist für Paare angelegt, es kann aber auch allein oder mit mehreren Personen durchgeführt werden.
aus: Hannes Zahner, „Selbstbefähigung – der psychophysische Ansatz Heinrich Jacobys“
- Suchen Sie gemeinsam spontan ein Bild aus. Es muss kein Kandinsky sein.
- Stellen Sie sich vor das Bild, betrachten Sie es eine kurze Weile und schliessen Sie dann die Augen. Versuchen Sie, das Bild in Ihrer Vorstellung zu visualisieren.
- Schauen Sie nun wieder auf das Bild.
Was sehen Sie bzw. was melden Ihnen die Augen?
Ist es noch dasselbe Bild, das Sie vorhin betrachtet haben oder hat es sich verändert? - Erzählen Sie sich nun nacheinander gegenseitig, was Sie auf der Leinwand sehen.
Achten Sie darauf, welche Wörter nur beschreiben und welche bereits eine Bewertung und Deutung beinhalten. Sie werden bemerken, dass es nicht ganz einfach ist, nur zu beschreiben ohne zu bewerten. Lassen Sie sich genügend Zeit dafür. - Vielleicht gönnen Sie sich nun einen Cappuccino in der Cafeteria.
- Betrachten Sie danach das Bild noch einmal. Welche Assoziation, welcher Begriff taucht spontan dazu auf?
- Versuchen Sie, Ihren Partner zu überzeugen, warum Ihre Assoziation richtig ist.
- Versuchen Sie nun, dem Partner zuzuhören und nachzuvollziehen, warum auch seine Assoziation richtig sein könnte.
These: Das Bild, das Sie beide betrachten, ist zwar dasselbe, aber offenbar nicht das gleiche. Daraus folgt: Meine Sicht der Dinge ist nicht per se wahr oder falsch, klug oder dumm, sie ist nur mit Sicherheit anders als bei anderen. Und gemeinsam kommen Sie der Sache schon etwas näher. Umso mehr das Bild betrachtet und besprochen wird, umso reicher wird es, und umso mehr Geheimnisse enthüllt es, über sich - und über uns.
Frage: Ist es das Bild, das etwas in mir auslöst oder rufe ich lediglich etwas ab, das schon in mir parat ist? Wodurch kam meine Reaktion zustande? Nur von aussen durch das Bild oder auch durch meine im Inneren schon vorhandene vorgefestigte Meinung und Haltung?
Das Datentransfer-Experiment
Wie wir alle, so werden auch Sie über Ihr Handy oder Ihren PC einer Flut von Informationen ausgesetzt sein und auch selber Informationen verbreiten. Die Daten sind mit Bildern und Icons oder Filmsequenzen visuell aufbereitet, so dass wir sie schnell aufnehmen können. Davon sind wir jedenfalls überzeugt.
Vielleicht nehmen Sie sich gemeinsam mit ihrem Partner oder einer Freundin eine halbe Stunde Zeit für ein interessantes Experiment: Zu überprüfen, was wir gesehen haben und was wir davon wirklich aufgenommen haben.
- Versuchen Sie alles, was Sie heute an Informationen „konsumiert“ oder selber generiert haben, Ihrem Gegenüber mündlich weiterzugeben.
Erzählen Sie ihm oder ihr alles und jede Kleinigkeit, was Sie von früh bis am Abend an Nachrichten, Klatsch, Wichtigem, sei es über Handy, Internet, Zeitungen, Werbung, Radio, TV, soziale Medien usw. aufgenommen haben.
Geben Sie die Inhalte und Bilder genauso unsortiert, bruchstückhaft weiter, wie Sie es selber erlebt haben.
Nehmen Sie sich 15-20 Minuten Zeit dafür. - Gönnen Sie sich dann schweigend eine kurze Kaffeepause.
- Was fällt Ihnen nun auf, nachdem Sie Ihrem Gegenüber alles erzählt haben?
Wie fühlen Sie sich?
Was von allem war für Sie wirklich von Interesse und Bedeutung? - Was meldet Ihnen Ihr Gegenüber zurück? Wie ist es ihm ergangen beim Zuhören?
Experiment: Hannes Zahner
Ins Lot kommen
Hier können Sie zwei Experimente zur Selbstwahrnehmung und organismischen Selbstreflexion nach Heinrich Jacoby ausprobieren. Es sind zwei kleine Versuche zum Einstieg in die Arbeitspraxis und zur Überprüfung Ihres momentanen Verhaltenszustandes.
aus: Hannes Zahner, „Selbstbefähigung – der psychophysische Ansatz Heinrich Jacobys“
- Registrieren Sie, in welcher Haltung Sie sitzen.
- Setzen Sie sich nun vorne auf die Kante Ihres Stuhls. Stellen Sie die Füsse bequem auf den Boden, so dass die ganze Fusssohle den Boden berührt.
- Lassen Sie die Arme seitlich hängen.
- Richten Sie sich langsam vom Becken her auf, Wirbel für Wirbel, bis Sie sich im Lot fühlen. Positionieren Sie Ihren Kopf so, dass Ihre Augen horizontal schauen können.
- Achten Sie auf die Kreuzbeingegend (Übergang Becken-Wirbelsäule). Sind Sie dort „eingeknickt“ oder aufgerichtet? Versuchen Sie, die unterschiedliche Auswirkung der beiden Haltungen herauszufinden.
- Bewegen Sie nun die Arme seitlich in Zeitlupentempo bis auf die Schulterhöhe und lassen Sie sie ebenso langsam wieder sinken. Ziehen Sie gleichzeitig die Schultern leicht nach hinten. Verweilen Sie einen Moment und wiederholen Sie den Versuch zwei, drei Mal.
- Verweilen Sie einen Moment.
- Legen Sie nun die Hände auf die Oberschenkel – oder, wenn Sie am Tisch sitzen, auf die Tischplatte – und beachten Sie, wie sich dabei Schultern, Kopf und Beckengegend verändern müssen, um weiterhin im Lot zu bleiben.
- Vergleichen Sie Ihren jetzigen Verhaltenszustand und Ihre Befindlichkeit mit dem Zustand vorher.
- Hat sich der Versuch auf Ihr Atmen ausgewirkt?
- Verweilen Sie einen Augenblick.
- Nun ist es aber Zeit, sich wieder Ihrer eigentlichen Tätigkeit zuzuwenden.
Das Smartphone-Experiment
aus: Hannes Zahner, „Selbstbefähigung – der psychophysische Ansatz Heinrich Jacobys“
Noch einfacher als mit der Kaffeetasse können Sie das folgende Smartphone-Experiment jederzeit im Alltag durchführen, wo immer Sie sich befinden. An Stelle des Smartphones eignet sich auch ein Kugelschreiber, eine Zeitung oder die TV-Fernbedienung. Und nicht zuletzt die Fernbedienung für die Powerpoint-Präsentation. So bieten sich auch am Arbeitsplatz oder in Sitzungen wunderbare Gelegenheiten, sich «en passant» zu regenerieren und zu ordnen. Sie können das Experiment unbemerkt von anderen, ganz zu ihrem eigenen Vergnügen und zu Ihrer Entspannung durchführen.
- Nehmen Sie das Smartphone hervor, wo Sie gerade sind, ob Sie stehen oder sitzen. Legen Sie das Smartphone in die offene Hand. Der Arm soll frei und nicht abgestützt sein.
- Versuchen Sie nun mit millimeterkleinen Bewegungen das Gewicht des Smartphones wahrzunehmen. Ziehen Sie dabei die Schultern etwas zurück. Halten Sie den Kopf so, dass Sie horizontal schauen können.
- Wenn es möglich ist, schliessen Sie einen Moment die Augen.
- Heben Sie nun das Smartphone ein paar Zentimeter in die Höhe und lassen es in Zeitlupe wieder sinken.
- Können Sie im Lot sein, so dass Sie keine Muskelanspannungen im Körper mehr benötigen? Wo verspannen Sie sich noch unnötig, im Arm, dem Handgelenk, im Fuss oder anderweitig im Körper?
- Spielen Sie damit, der Schwerkraft des Smartphones nachzugeben, ihr wieder entgegenzubewegen und genau in der Balance zu bleiben. Probieren Sie – in Zeitlupe – solange, bis Sie das Gewicht des Smartphones gut erfassen können.
- Wie hat sich das Experiment auf Sie ausgewirkt? Konnten Sie sich darauf konzentrieren? Waren Körper und Denken im Einklang? Hat sich Ihr Atmen verändert? Wie haben Sie sich allenfalls beim spaßvollen Experimentieren gehindert? Ist Ihre Haltung mehr aufgerichtet, mehr im Lot?